Die einst so umstrittene Oder-Neiße-Grenze, ist heute für die meisten Menschen in Deutschland und Polen kaum mehr als eine geografische Linie auf der Landkarte. Doch trotz der geografischen Nähe leben diese beiden Länder oft in getrennten Informationsblasen, ohne ein wirkliches Verständnis füreinander zu entwickeln. Am 4. Oktober 2023 erscheint das Buch “Nie budujemy IV Rzeszy” (deutsch: “Wir bauen kein 4. Reich”) von Arndt Freytag von Loringhoven, Advisor bei Berlin Global Advisors und ehemaliger deutscher Botschafter in Polen, und dem angesehenen polnischen Journalisten Jędrzej Bielecki. Das Buch ist nicht nur ein Aufruf zur Wiederbelebung des deutsch-polnischen Austauschs, sondern auch ein Weckruf für ein offenes und respektvolles Miteinander.
Entfremdung zwischen Deutschland und Polen
In den letzten Jahren hat sich die Beziehung zwischen Deutschland und Polen zunehmend verschlechtert. In Polen sind anti-deutsche Parolen im Wahlkampf keine Seltenheit, während Deutschland oft den Dialog mit einfacheren Partnern sucht. Diese negative Spirale führt unter anderem dazu, dass sich die beiden Länder immer weiter voneinander entfernen, gerade in einer Zeit, in der eine enge Zusammenarbeit im Angesicht der Bedrohungen durch Russland wichtiger denn je ist.
Deutschland und Polen – Schlüsselakteure in Europa
Während sich das geopolitische Spielfeld in Europa drastisch verändert und sowohl ein revisionistisches Russland als auch ein sich nach Asien orientierendes Amerika die europäische Sicherheit beeinflussen, ist der Zusammenhalt Deutschlands und Polens von entscheidender Bedeutung. Europa muss sich in dieser Situation stärker und glaubwürdiger positionieren. Dazu ist eine enge deutsch-polnische Zusammenarbeit unerlässlich.
Ein Buch, das drängende Fragen der polnischen Seite beleuchtet
In “Nie budujemy IV Rzeszy” gehen die Autoren auf eine Vielzahl von Themen ein, welche die deutsch-polnischen Beziehungen beeinflussen. Sie analysieren die deutsche Russlandpolitik, die Unterstützung für die Ukraine, Vorwürfe einer deutschen Dominanz in Europa und die Frage der Kriegsreparationen. Darüber hinaus werfen sie die Frage auf, ob Deutschland im polnischen Wahlkampf neutral ist und wie Deutschland auf Angriffe aus Polen reagieren sollte. Eine der zentralen Fragen ist auch, ob Deutschland Polen im Falle eines russischen Angriffs verteidigen wird. Zudem wird thematisiert, warum die Deutschen zwar viel über den Holocaust wissen, aber wenig über die Ermordung von nicht-jüdischen Polen.
In einer Zeit, in der die Herausforderungen immer komplexer werden, ist es wichtiger denn je, dass Nationen zusammenarbeiten und gemeinsam Führung übernehmen, um ein resilientes und zukunftsfähiges Europa zu gestalten. Arndt Freytag von Loringhovens Buch stellt in dieser turbulenten Zeit einen Aufruf zur Einheit und zur Überwindung der Unterschiede zwischen den Nachbarländern dar. Es erinnert uns daran, dass die gemeinsamen Werte und Interessen der beider Nationen stärker sind als die Spaltungen, die sie derzeit erleben.
Neben Loringhoven selbst, verfasste auch Wanda Traczyk-Stawka, ehemalige Soldatin im Warschauer Aufstand (1944) und heute 96 Jahre alt, ein berührendes Vorwort, welches mit einem emotionalen Aufruf zur Vergebung zwischen den beiden Nationen schließt.
Über den Autor
Arndt Freytag von Loringhoven blickt auf 36 Jahre in der Diplomatie und in Regierungsangelegenheiten zurück. Bis zu seiner Pensionierung war er deutscher Botschafter in Polen (2020-2022) und zuvor in der Tschechischen Republik (2014-2016). Insgesamt konzentrierten sich seine beruflichen Erfahrungen auf Osteuropa, europäische Integration und Sicherheitspolitik. Seit Januar 2023 ist er bei BGA als Advisor tätig.